Wie man bekommt, was man will
Ich besitze etwas sehr Wertvolles, um das sich Menschen in Städten gerne streiten: einen Kfz-Stellplatz. Dieser gehört zu meiner Wohnung. Ich bezahle Miete für ihn, obwohl ich ihn nicht brauche.
Ich habe ihn in der Nachbarschaft angeboten. Niemand wollte ihn. Also mietet ihn jetzt ein Pendler, der tagsüber, während er in der Arbeit ist, sein Auto dort zurücklässt. Zu den anderen Zeiten kann ich über den Parkplatz verfügen, sodass mein Besuch zum Beispiel dort parken kann. Ein guter Deal für uns beide – Win-Win.
Immer wieder kommt es vor, dass auf dem Parkplatz fremde Autos stehen: von Unbekannten, die im Haus zu tun haben oder jemanden besuchen.
Jüngst fand ich heraus, dass auch der Nachbar vom Dachgeschoss regelmäßig sein Geschäftsauto dort zwischenparkt. Gut, dass auf dem Auto steht, zu welcher Firma es gehört, so konnte ich den jungen, ansonsten sehr freundlichen, Mann identifizieren und darauf ansprechen.
Er gab es sofort zu, aber immerhin parke er ja nur immer eine halbe Stunde. Das stimmte allerdings nicht, denn am Tag davor stand das Auto mindestens vier Stunden dort. Auch das gab er auf Nachfrage routiniert zu.
Ich bot dem Wildparker an, dass wir gerne eine Vereinbarung treffen könnten, wenn er regelmäßig dort parken will. Immerhin sind die Wochenenden und die Nächte noch frei verfügbar. Ich spreche übrigens immer noch vom Parkplatz.
Nein, das sei nicht nötig, denn er habe ja drei Häuser weiter einen Stellplatz (und übrigens einen weiteren in unserer Tiefgarage, da parkt sein „Sommerauto“).
Wenn die Kommunikation gelungen wäre, hätte das Gespräch an dieser Stelle beendet sein können – am besten mit einer kleinen Entschuldigung, einem Dankeschön und dem Wunsch für einen schönen Tag.
Stattdessen hörte ich ihn sagen: „Dieser Kombi dort steht übrigens auch regelmäßig auf Ihrem Parkplatz. Und der Nachbar von oben auch.“ Von ersterem wusste ich, zweitere Tatsache war mir nicht bekannt. Der Wildparker fühlte sich jetzt wieder sicher und bot mir „galant“ an, nächstes Mal ein Foto zu machen – zum Beweis.
Schließlich lieferte er sich selbst die perfekte Lösung für sein Problem: Er würde einfach tagsüber auf dem Platz daneben parken, wenn es nötig sei. Mit dem Nachbarn, dem der Parkplatz gehört, habe er schon darüber gesprochen.
Hmm, wenn er mit dem Besitzer des zweiten Platzes darüber sprechen konnte, warum dann nicht mit mir? Weil ich eine Frau bin, der er sich überlegen fühlt?
Ganz ehrlich, hätte er mich freundlich gefragt, ob es in Ordnung ist, dass er zum Be- und Entladen hin und wieder den Parkplatz nutzt, hätte ich ihm das sicherlich nicht abgeschlagen. Ich bin ja kein Unmensch und bin sehr empfänglich für gute Kommunikation.
Stattdessen habe ich mich nach diesem Gespräch so gefühlt, als ob ich etwas falsch gemacht hätte, nicht der Falschparker!
Ein dankbarer Stoff für noch zahlreiche Kolumnen
Diesen Monat geht es um „Kommunikation“, also um das Instrument, das wir anwenden, um Informationen auszutauschen, Vertrauen zu Menschen aufzubauen und Lösungen für Probleme zu finden.
Obwohl wir Menschen mit der Sprache ein ausgeklügeltes System besitzen, das durch Körpersprache, Gestik, Mimik, Stimme, Tonfall und Betonung viele Ausdrucksformen kennt, geht die zwischenmenschliche Kommunikation ständig schief.
Oft sind die Emotionen schuld, die bei unseren Aussagen bewusst oder unbewusst mitschwingen. Stress, Anspannung, Überlastung, Ärger – all diese und noch weitere wirken sich auf unsere Stimmung und so auf unsere Stimme aus. Hinzu kommen Spekulationen und Interpretationen. So eskalieren harmlose Situationen.
Man kann nicht nicht kommunizieren
Sehr erinnerungswürdig beschreibt Paul Watzlawik das in seinem Buch „Anleitung zum Unglücklichsein“. Auch hier geht es um die Kommunikation mit der lieben Nachbarschaft.
Um ein Bild aufzuhängen, braucht ein Mann einen Hammer, den er sich gerne vom Nachbarn ausleihen würde. Bevor er dafür an der Tür nebenan klingelt, malt er sich in den schönsten Bildern aus, wie sein Nachbar ihn abweisen wird. „Schon gestern hat er nicht gegrüßt, er wird mir bestimmt nicht helfen“, denkt er.
Er steigert sich so lange in diesen schlechtesten aller möglichen Ausgänge hinein, dass er schließlich hinüberstürmt und läutet. Noch bevor der Nachbar ihn begrüßen kann, schreit ihn unser Mann schon an: „Behalten Sie doch Ihren Hammer, Sie Rüpel!“
Sich hineinsteigern kann fatale Folgen haben
In den letzten Wochen konnten wir in Deutschland, anlässlich der Bundestagswahl, das politische Personal aller Parteien beim Kommunizieren beobachten.
Das war meist kein Augen- und Ohrenschmaus. Politische Talkshows sind nicht dafür bekannt, dass Menschen einander ausreden lassen und zuhören, um andere zu verstehen. Sie sind Marktplätze der Eitelkeiten, auf denen selbst die hoch bezahlten Moderatoren und Moderatorinnen nicht glänzen.
Sie scheinen Watzlawicks Geschichte gerne zu reproduzieren, indem sie den Gästen möglichst viele Schreckensszenarien aufzeigen, sodass diese emotional reagieren. Das gibt Quote und Klicks, auch wenn am Ende das Publikum nicht das bekommt, war es braucht (also den Hammer).
Diese Art der Kommunikation – gepaart mit mangelnder Impulskontrolle – wird auf den Bühnen von Bierzelten und Hallen und im Parlament weitergeführt. Und: in ovalen Büros. Hier fühlen sich Egos wohl.
Angepeitscht vom Applaus des eigenen Fanclubs lassen sie sich nur allzu gerne dazu hinreisen, die politische Gegenseite persönlich anzugreifen, als dumm darzustellen, sie auf das Äußere zu reduzieren und ihre Argumente durch den Dreck zu ziehen.
Sie sprechen aus, was sie ihrem Nachbarn womöglich nicht ins Gesicht sagen würden. Der Höhepunkt: Das Volk wird diffamiert.
Menschen, die ihre im Grundgesetz verbrieften Rechte friedlich in Anspruch nehmen, werden als Spinner bezeichnet, denen einiges an Porzellan verloren gegangen sei.
Die Organisatoren von Demonstrationen werden unter Generalverdacht gestellt, Steuergelder nicht ordnungsgemäß zu verwenden.
Es zeigt sich: Gekränkte Egos sind so aggressiv wie ein angeschossener Löwe.
Es fehlt eigentlich nur noch, dass man die vor der Wahl gegebenen Versprechen nicht einhält. Und damit meine ich nicht Steuersenkungen, sondern die Ablehnung der Zusammenarbeit mit einer bestimmten Partei. Weil vielleicht die andere, eigentlich ganz nette, Partei nicht will, nachdem sie rüpelhaft behandelt wurde.
Das Finden eines Koalitionspartners ist ein wenig wie die Parkplatzsuche: Wer voraussetzt, dass ein Parkplatz garantiert zur eigenen Verfügung steht, und ihn breitbeinig besetzt, schaut am Ende womöglich in die Röhre.
Wer ihn haben möchte, kann gerne freundlich fragen und eine Win-win-Situation herstellen.
Gelungene Kommunikation ist auch hier der Schlüssel zum Erfolg.
PS: Selbst die Mächtigen, die am liebsten Deals aushandeln, werden feststellen, dass Aggression, Druck und Lügen kurze Beine haben.
Was ist deine Perspektive auf dieses Thema?
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