Die schönste Zeit des Jahres …

Während ich das schreibe, sind wir mittendrin in der vielleicht intensivsten Zeit des Jahres: der Black Week, also jener Zeit, in der sich Handelsunternehmen mit ihren Rabatten überbieten und die potenzielle Kundschaft mit Werbung penetrieren. Die Black Week hat sich in Europa etabliert und verlängert sich jedes Jahr – wegen großer Nachfrage.

Der Kauf-Nix-Tag, der immer am Samstag nach dem Black Friday stattfindet, setzt dabei nur einen kleinen Kontrapunkt gegen den Konsumwahn – aber einen wichtigen!

Längst gilt die Black Week gefühlt als der deutlich spürbare Start zur Vorweihnachtszeit. Anders als die Adventszeit, die traditionell als heimelig und friedlich vermarktet wird, ist die neue Vorweihnachtszeit laut, aufdringlich und irgendwie crazy.

Ist das der Grund, warum sich Weihnachten schon lange nicht mehr so anfühlt wie früher? Oder gab es die gemischten Gefühle, die sich im Advent aufbauen und spätestens am Heiligen Abend explodieren, schon bevor es die Black Week gab?

Komm, du weißt doch auch, was ich meine!

 

Diese innere Angespanntheit, die mit jedem geleerten Türchen vom Adventskalender stärker wird.

Das Schwanken zwischen: „Dieses Jahr schenken wir uns nichts.“, und „Ich muss noch ein paar Geschenke besorgen!“

Dieses ungute Gefühl, dass am Ende des Jahres die Welt schließt, wie ein Einkaufsladen und man sich im neuen Jahr nicht mehr mit Freunden treffen kann (weshalb man es unbedingt noch vor Weihnachten tun muss).

Das ehrgeizige Ziel, alle offenen Arbeitsthemen bis zum 23. Dezember abzuschließen und natürlich auch Weihnachtsgrüße zu verschicken.

Der volle Kalender, in dem sich Krippenspiele, Weihnachtsfeiern, Konzerte und Weihnachtsmarktbesuche tummeln.

Die Planung, an welchem Tag man wo ist, wann die beste Zeit zum Anreisen ist und ob die Bahn zuverlässig genug ist oder man doch lieber die Autobahn nutzt.

Das Vorhaben, sich an Weihnachten (oder wenigstens zwischen den Jahren) von all dem Stress der letzten Wochen zu erholen.

Die Hoffnung, dieses Jahr wirklich ein friedliches Weihnachtsfest mit der Familie verbringen zu können,

die immer mehr abgelöst wird vom

innigen Wunsch, lieber in Ruhe und ohne Programm zu entspannen anstatt die alljährlichen, fragwürdigen Rituale mit zusammengebissenen Zähnen mitzumachen.

Ich spreche es jetzt aus: Weihnachten ist total überbewertet!

 

Es ist verpönt, zuzugeben, dass man sich nichts (mehr) aus dem typischen Weihnachten macht. Nicht, weil die Kinder jetzt halt groß sind, sondern weil man die unausgesprochenen Erwartungen der Gesellschaft nicht mehr erfüllen will.

In Millionen von Familien treffen sich an Weihnachten Menschen, die sich während des restlichen Jahres oft nicht mehr die Zeit nehmen, wirklich miteinander zu sein. Sie glauben, das Fest der Liebe wird das alles ausgleichen und wollen, dass es perfekt ist. Nur: Die Vorstellungen von „perfekt“ gehen genauso weit auseinander wie die Preise in der Black Week. Auseinandersetzungen sind vorprogrammiert, Enttäuschungen auch.

Gerade Frauen rackern sich ab, um allen ein unvergessliches Fest zu bereiten. Vermutlich gibt es kaum eine Zeit des Jahres, in welcher die ungleiche Verteilung von Care Arbeit zwischen Männern und Frauen mehr zutage tritt, als in den letzten Dezembertagen eines Jahres.

Und dennoch: Weihnachten ohne Geschenke, Baum, üppiges Essen und Alkohol scheint unvorstellbar.

Dabei hatte die heilige Familie, in deren Gedenken das ganze Brimborium ja stattfindet, nichts von alledem, damals in Bethlehem. Auch keinen Schnee, übrigens. Sie feierten die Geburt ihres Sohnes sehr bescheiden und konnten den fremden Hirten, die sie überraschend besuchten, nicht einmal etwas zu trinken anbieten.

Nur wenige schaffen es, sich dem scheinbar allgemeingültigen Anspruch zu entziehen und die Weihnachtsfeiertage so zu verbringen, wie sie es wirklich wollen. Stattdessen macht man gute Miene zum anstrengenden Spiel und ist froh, wenn man nach ein paar Stunden wieder seine Ruhe hat. Und wenn am 27. Dezember alles wieder seinen „normalen“ Gang geht.

Fürchte dich nicht!

 

Je älter ich werde, desto mehr Menschen kenne ich, die sich vor Weihnachten fürchten, Alleinlebende vorneweg. Nie ist Einsamkeit schlimmer, als wenn gefühlt die ganze Welt eine Familie ist und man selbst sich nicht dazugehörig fühlt.

Das gilt sogar für Menschen mit Familienanschluss, denn Familie schützt vor Einsamkeit nicht. Gerade in Gruppen, mit denen man, außer dem Genpool, nicht viel gemeinsam hat, kann die Einsamkeit deutlich hervortreten.

Das Unausgesprochene ist in der „stillen Nacht“ lauter als sonst. Das Ausgesprochene wiegt mehr auf der Goldwaage.

Das Weihnachtsfest in traditionellen Familien

 

Es ist so: An Weihnachten (mindestens am Hl. Abend) bleiben die meisten Familien gerne unter sich.

Kommt es doch zu Einladungen von „Externen“, fühlen sich Gäste schnell unwohl und als Eindringling in die intime Welt der Weihnachtsfamilie mit ihren Traditionen. Das gilt auch, wenn man befreundet oder gar verwandt ist.

Man gehört nicht wirklich dazu und es warten viele Fettnäpfchen auf einen. Viele Singles bleiben ergo lieber alleine zu Hause, als eine Einladung anzunehmen, die aus falschem Mitleid zustande kam.

Heute finden „Einsame“ mithilfe von Apps wie Meet5 oder durch Facebook-Gruppen wie „Keiner bleibt allein“  zusammen. Sie verbringen die Weihnachtstage unkonventionell mit Fremden – also eher so, wie damals Maria und Josef mit dem kleinen Jesus. Die drei kannten ihre Mitfeiernden vorher auch nicht und mussten bei ihrer Herbergssuche zunächst viel Ablehnung hinnehmen.

Versöhnung ist möglich an Weihnachten

 

Was Weihnachten so kompliziert macht: Weihnachten wird traditionell als das Fest der Liebe, der Familie und des Friedens vermarktet. Die erfolgreichsten Werbespots werden oft an Weihnachten veröffentlicht und rühren Millionen von Menschen zu Tränen. Sie bedienen die typische Sehnsucht nach Nähe und Geborgenheit.

Tatsächlich ist der Sinn von Weihnachten doch der: Wir sollen Solidarität nicht nur in Form von Spenden für Bedürftige zeigen, sondern wirklich hinschauen und unser Glück mit nicht ganz so glücklichen Menschen teilen. So hat es auch Mr. Scrooge in Charles Dickens’ Weihnachtsgeschichte von den Geistern der Weihnacht gelernt.

Heute klappt das halt nur so mittelgut, zumindest nicht an den drei Kerntagen von Weihnachten, wenn die großen Spendenaktionen und Galas längst vorbei sind.

Und doch glaube ich immer noch: Weihnachten hat das Zeug zum großen Versöhnungsfest, bei dem Freundlichkeit, Nächstenliebe und Frieden sich durch alle Teile der Gesellschaft ziehen.

 

Offene Herzen statt geschlossene Türen, wie einst bei der Herbergssuche.

Was ist deine Perspektive auf dieses Thema?

Füge sie gerne hinzu.

Einfach unten einen Kommentar hinterlassen!

Danke vielmals.

Gabriele Feile

Falls dir dieser Beitrag gefällt, sag Danke mit einem Kaffee!

Buy Me A Coffee

Wenn dir das gefallen hat, findest du hier noch mehr davon:

Teile diese Botschaft mit allen, die sie kennen sollten:

WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner