Der letzte Fußabdruck
„Nachhaltig sterben“ – das klingt ähnlich absurd wie „achtsam morden“.
Nachhaltig bedeutet laut Duden: Sich auf längere Zeit stark auswirkend. Das trifft auf den Tod definitiv zu. Gut, seelisch betrachtet kann man das anders sehen. Doch rein körperlich und geistig ist es so: tot ist tot.
Eine andere, eher moderne, Bedeutung von „nachhaltig“ ist: umweltfreundlich, ressourcenschonend, CO₂-neutral.
Gerade letzteres ist, was das Leben betrifft, nicht erreichbar. Alleine, weil wir atmen, produzieren wir CO₂. Weil wir essen, nutzen wir Ressourcen. Weil wir leben, schaden wir der Umwelt.
Um das zu neutralisieren, könnten wir also wenigstens nachhaltig sterben!
Ich beschäftige mich gerade intensiv mit dem Sterben – mit meinem eigenen. Und dabei stoße ich auf Informationen, die mich nachdenklich und demütig machen.
Es besteht kein Anlass zur Sorge: Ich bin kerngesund, abgesehen von kleinen Zipperlein. Dennoch habe ich das Bedürfnis, vorbereitet zu sein, wenn es so weit ist. Denn in letzter Zeit erlebe ich wieder vermehrt, dass Menschen in recht jungen Jahren unvermittelt (und unvorbereitet) sterben.
Neben der Trauer löst ein plötzlicher Todesfall für die Hinterbliebenen eine Menge Arbeit aus. Ein Weg, dies zu vermeiden, ist der sogenannte Todesputz (schwedisch: Döstädning). Dabei ordnet man schon zu Lebzeiten (je früher, desto besser) die eigenen Hinterlassenschaften.
Das heißt: aufräumen, ausmisten, loslassen. Plus: Entscheidungen treffen, damit es andere nicht tun müssen. Eine relevante Entscheidung ist, wie die eigene Beisetzung samt Grab gestaltet werden soll. Und ob sie jahrelangen Schaden anrichtet!
Achtung, jetzt wird es etwas morbider
Mit gutem Gewissen und frei von Sünden – so stirbt es sich wohl am leichtesten. Doch was, wenn Sünden noch nach dem Tod begangen werden? Hat das Auswirkungen auf ein etwaiges Leben im Jenseits? Oder auf die nächste Inkarnation?
Die Sünden, die ich meine, sind Umweltsünden, die, je nach Art der Bestattung, unterschiedlich ins Gewicht fallen.
Fangen wir mit dem Sarg an: Viele Särge kommen heutzutage aus Asien oder Osteuropa, werden also um die Welt geschifft und sind dennoch deutlich billiger als Särge aus hiesiger Produktion. Ganz zu schweigen von den Lacken und Metallbeschlägen, die sich so gar nicht positiv auf das Erdreich im und um das Grab auswirken.
Ein Sarg wird in der Regel innen für den Leichnam bequem ausgepolstert und außen verziert, nicht immer mit schnell abbaubaren Materialien, sondern mit Kunstfasern und Kunststoff.
Üppiger Blumenschmuck, arrangiert in Steckmasse aus Kunstharz, befestigt mit Metalldrähten und dekoriert mit Kunststoffgrußbändern gaukelt Natürlichkeit vor.
Kerzen in Plastikhüllen (diese machen übrigens den größten Teil des Mülls auf Friedhöfen aus) und allerhand Deko auf dem Grab sorgen für Abfall, der ungleich länger zum Verrotten braucht als jeder menschliche Körper.
Doch auch dieser, der Körper, zersetzt sich heute nicht mehr schnell und umweltfreundlich. Schuld sind künstliche Gelenke, Zahnfüllungen aus Amalgam, Herzschrittmacher oder Silikonimplantate. Die in diesen Ersatzteilen enthaltene Schwermetalle können sich im Boden anreichern, bis zum Grundwasser gelangen und dieses nachhaltig schädigen.
Neben Methangasen treten aus einem Leichnam Umweltgifte und Medikamentenrückstände aus. Letztere umso mehr, da in der finalen Lebensspanne oft gehäuft Arzneimittel eingenommen wird.
In Folge einer verabreichten Chemotherapie gibt der tote Körper noch über Jahre Strahlung ab, die Pflanzen und natürlichen Organismen schaden kann. Will die Grabbepflanzung einfach nicht gedeihen, könnte das aggressive Gift der Krebstherapie ein Grund sein.
Smarte Lösung: Feuerbestattung
Ja gut, dann umgehen wir das halt und lassen unseren toten Körper verbrennen! Gute Idee, doch ein Feuer neutralisiert Schadstoffe leider nicht. Im Gegenteil.
Um einen Leichnam mit Sarg und allen Fremdstoffen zu verbrennen, braucht es einen Ofen mit 1000 Grad Celsius, 20 Liter Heizöl, 500 g Aktivkohle und eine Stunde Zeit. Dennoch oder gerade deshalb bleiben Schwefeloxide, toxische Gase und Zellgifte übrig, die als Sondermüll in Salzstöcken endgelagert werden müssen.
Deutsche Krematorien stoßen ca. 100.000 bis 250.000 Tonnen CO₂ pro Jahr aus.
Zur eigenen Asche kommt noch die Asche des Sarges samt Polster, die Bestattungswäsche und Partikel des Schamottsteins. Wenigstens gibt es heute biologisch abbaubare Urnen, die die unkaputtbaren Stahlurnen weitestgehend abgelöst haben.
Übrigens: Auch die Wahl des Bestattungsortes hat Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit. Ein regulärer Friedhof in Fußnähe kann kurz- und langfristig wesentlich ressourcenschonender sein als ein weit entfernter Friedwald, der nur mit dem Auto erreichbar ist.
Nachhaltig sterben: Erde zu Erde, Staub zu Staub
Ich bin froh, dass ich all das vor kurzem in einem Zeitungsartikel gelesen habe. Denn wer denkt schon an die Umwelt, wenn es ans eigene Sterben geht? „Nach mir die Sintflut“, passt niemals besser als im Angesicht des Todes.
Es gibt zum Glück bereits machbare Lösungsansätze, die das Sterben grüner machen: Särge aus regionalem Holz und ebensolcher Herstellung, Schafswolle oder Nutzhanf für die Auskleidung des Sarges, die bereits erwähnten kompostierbaren Urnen und naturnahe Bestattungen, etwa unter Bäumen.
Am nachhaltigsten ist eine Beisetzung übrigens dann, wenn ein Leichnam, ganz im Sinne vieler Religionen, wieder zu Erde und Staub wird. Das heißt: Der Körper (zumindest seine natürlichen Teile) wird zersetzt und zerfällt – schneller als in jedem Sarg und ohne die heftigen Abgase beim Verbrennen.
Es gibt für dieses „Kompostieren“ unterschiedliche, teils aufwändige Methoden, die sich noch nicht flächendeckend durchgesetzt haben, u. a. weil Geld oder Genehmigungen fehlen.
Allerdings gibt es beim nachhaltigen Sterben wieder mal ein Gerechtigkeitsproblem. Denn: Eine Bio-Beisetzung ist (noch) wesentlich teurer als eine herkömmliche Bestattung.
Das heißt, selbst am Ende des Lebens bestimmt noch der Kontostand, welche schädlichen Spuren ein Mensch hinterlässt und für wie lange.
Was ist deine Perspektive auf dieses Thema?
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