Zu viele Akkus, zu wenige Steckdosen
Gleichmäßig schabt das Schleifpapier Lackreste von dem alten Holz. Mehr und mehr werden Maserung und Farbton des Nussbaumes sichtbar. Meine Handbewegungen sind gleichmäßig, die Vibration der Maschine ist im ganzen Körper spürbar.
Doch dann, wie aus dem Nichts, steht alles still. Der Motor verstummt, die Schleifmaschine stellt ihre Arbeit ein. Eine unheimliche Ruhe tritt ein. Ein Blick auf das blinkende Licht bestätigt: Der Akku ist leer!
Einen Ersatzakku habe ich nicht, also muss das Einzelstück ans Stromnetz. Eine freie Steckdose ist nach ein wenig Suchen gefunden. Erstaunlich, wie viele Ladegeräte und -kabel in den elektrischen Wandöffnungen stecken!
Jetzt ist erstmal Pause angesagt, denn der Akku ist nicht von der schnellen Sorte. Bis er voll ist, dauert es geschätzt mehr als 2 Stunden. Das steht im krassen Gegensatz zu der Arbeitszeit der Schleifmaschine. Nach rund 1 (in Worten: einer) Stunde stellt sie den Betrieb ein. Für mein aktuelles Projekt, das Aufarbeiten eines Nachtkästchens, das ich über kleinanzeigen.de gratis ergattert habe, heißt das: Ich muss mehrfach ran.
Während die Schleifmaschine ihre wohlverdiente Pause macht, habe ich Zeit, mir Gedanken über das Thema „Aufladen“ zu machen. Irgendwas lädt ja immer: Handy, Laptop, Tablet, elektrische Zahnbürste, Akkuschrauber, E-Bike oder E-Auto. Kaum ist der eine Akku voll, jammert der nächste und will gefüttert werden.
Es ist durchaus eine Kunst, herauszufinden und sich zu merken, welches Gerät welche Behandlung braucht:
- Mache ich den Akku vor dem Laden komplett leer, wie es IT-Profis bei Laptops regelmäßig empfehlen?
- Lade ich das Smartphone vollständig auf oder nur bis 80 %, um eine längere Lebensdauer der wertvollen Batterie zu erhalten?
- Wann ist es nötig, den Akku vom E-Bike zu laden, um nicht während einer Radtour plötzlich selbsttätig strampeln zu müssen?
- Und was kann ich tun, um möglichst wenig Strom zu verbrauchen? So günstig ist dieser ja bei weitem nicht zu haben.
Was ist eigentlich der menschliche Akku?
Während ich vor mich hin kontempliere, frage ich mich, wie es passieren konnte, dass intelligente Wesen, als die sich Menschen ja selbst gerne sehen, in Panik geraten, wenn keine Steckdose in der Nähe ist.
- Was macht Smartphone-Nutzer vom Stromnetz abhängig wie Junkies vom Stoff?
- Warum tragen sie sogar Energie in einer Powerbank mit sich herum, quasi als Notfall-Schuss?
- Weshalb dominieren in Diskussionen um E-Autos so häufig die scheinbar geringen Reichweiten, obwohl die meisten gefahrenen Strecken eher kurz sind (nämlich zur Arbeit, zum Einkaufen, zum Tanken)?
- Und warum gibt es nicht dieselbe Panik, wenn es um den Akku in uns selbst geht?
Hand aufs Herz:
- Weißt du, wann es Zeit ist, deinen persönlichen Akku aufzuladen?
- Wartest du ab, bis er komplett entleert ist und nichts mehr geht, bevor du dich mit neuer Energie versorgst?
- Hast du immer eine Ersatzbatterie oder gar eine Powerbank dabei?
- Musstest du deinen Akku schon einmal reparieren lassen? Wenn ja: Welcher Körperteil war betroffen?
Lifehacks, die es bringen sollen!
In unserem busy Leben lernen wir von allen möglichen Gurus, wie wir uns selbst leistungsfähig erhalten und wie wir unseren zahlreichen Aufgaben Prios geben. Die Lifehacks auf TikTok und YouTube sollen das Leben leichter machen und mehr herausholen aus den geringen Ressourcen.
Was wir nicht unbedingt lernen, ist, unserem persönlichen Akku Priorität zu geben.
Darauf zu achten, dass er nicht heiß läuft, abschmiert oder ausbrennt.
Dafür zu sorgen, dass wir stets eine Energiequelle für unser eigenes Wohlbefinden in der Nähe haben – und diese auch zu nutzen.
Selbstfürsorge (neudeutsch: Self Care) ist zwar ein Trend und kommt doch oft zu kurz.
Kurzum: Den eigenen Akku zuerst zu füllen, ist das Gebot der viel gepriesenen Selbstfürsorge.
Nur wenn unser Akku gut gefüllt ist, können wir reibungslos das Leben genießen – und die zahlreichen Geräte nutzen, die unser Leben leichter machen sollen. Anders gesagt: Wer selbst keine Energie hat, dem nutzt ein voller Akku im E-Bike oder Smartphone nur wenig.
Wie wir das mit der Selbstfürsorge, also dem Aufladen, machen, kann sehr individuell sein. Bewährt haben sich: genügend Schlaf, gesundes Essen, frische Luft, ein gutes Maß an Bewegung, große Portionen Natur, immer wieder Zeit zum Müßiggang, meditative Tätigkeiten jeglicher Art, sinnvolles Engagement und erfüllende Hobbys.
Das meiste davon ist gratis oder besonders günstig zu haben. Es braucht keine teuren Reisen ans andere Ende der Welt und Aufenthalte in Luxus-Ressorts mit aufwändigen Spa-Angeboten, um abzuschalten.
Fachleute sind sich zudem einig, dass regelmäßige kurze Pausen mehr bringen als ein oder zwei längere Urlaube im Jahr. Ich selbst plädiere ja für einen täglichen Urlaub, also: regelmäßig abschalten.
Das tut der Seele gut und hält uns gesund und zufrieden. Denn: Es gibt keinen Ersatz für den menschlichen Akku. Und Reparaturen sind so aufwändig, dass wir durch sie gezwungen werden, innezuhalten!
Der wichtigste Lifehack zur Selbstfürsorge ist also: Lade deinen eigenen Akku immer zuerst!
PS: Was tust du für deine Selbstfürsorge?