Im Buch Hector & Hector und die Geheimnisse des Lebens von François Lelord, lernt Petit Hector von seiner Mutter Clara und von seinem Vater Hector viele Lektionen fürs Leben.
Hector, der Vater, ist Psychiater und hört den ganzen Tag Menschen zu. Clara arbeitet im öffentlichen Dienst.
Hector und seine Freunde unterhalten sich in der Schule eines Tages darüber, was sie einmal werden wollen. Schriftsteller, Doktor, Fahrer, Spezialist für Computerspiele, Bauarbeiter – all das sind Berufe, über die sie sprechen. Als seine Freunde Petit Hector fragen, was er mal machen wolle, sagt er: „Chef sein.“ Und erklärt danach: „Von mir selbst.“
Petit Hector ist es zu kompliziert, seinen verwirrten Freunden zu erklären, wie er dazu kommt. Er denkt an die vielen Gespräche zu Hause, in denen seine Mutter sich über ihren Chef beklagt hatte. Früher hatte sie viel Arbeit und musste oft von zu Hause aus Präsentationen vorbereiten für wichtige Meetings.
In letzter Zeit nimmt ihr Chef sie nicht mehr mit in Besprechungen und sie zerbricht sich seit Monaten den Kopf darüber. Ohne zu einem Ergebnis zu kommen – nur zu Vermutungen: Es könnte am neuen Chef des Chefs liegen, der Clara recht gut leiden kann. Ihr Chef könnte Angst davor haben, dass er seinen Job verliert und Clara ihn ersetzt. Das ist zumindest eine Erklärung, die ihr Mann Hector hat.
Die größte Macht von Chefs
Dieser sagt einen wahren Satz:
„Die größte Macht eines Chefs besteht darin, dass er uns zwingen kann, an ihn zu denken.“
Das stimmt, oder? Unsere Chefin oder unser Chef bestimmt einen Großteil unserer Gedanken, nicht nur während der Arbeit, auch sonst. Wie intensiv wir an Vorgesetzte denken ist sicher unterschiedlich. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ich an die „Schlimmsten“ mehr und häufiger dachte als an die „Guten“. Ich habe ihnen dadurch ziemlich viel Macht gegeben.
Natürlich waren diese Gedanken häufig negativer Natur:
- Warum kann er nicht klar kommunizieren?
- Wie kann sie das bloß von mir denken?
- Warum sieht er nicht, wie viel ich hier leiste?
- Wieso glaubt sie diesem Schleimer mehr als mir?
- Morgen bitte ich um einen Termin, noch besser: ich trage einfach einen ein!
- Bei nächster Gelegenheit sag ich ihr mal die Meinung.
- Oh nein: nächste Woche ist mein jährliches Personalgespräch!
- Ich frage mich wirklich, wie der an diesen Job kam.
- Merkt die eigentlich gar nicht, was in diesem Laden los ist?
- Bin ich hier eigentlich der Depp?
- Und, und und!
Man könnte meinen, ich war in einer engen persönlichen Beziehung mit meinen Vorgesetzten. Und irgendwie war es ja auch so. Aber sahen die das auch so?
Wissen Chefs, was sie auslösen?
Vermutlich ist die Antwort darauf: nein! So wie wir alle niemals davon ausgehen, dass man über uns redet, wenn wir nicht da sind (obwohl wir es mit anderen so machen), so haben auch Manager vermutlich Scheuklappen und Ohrenstöpsel, wenn es darum geht, wie sie auf ihre Mitmenschen wirken. Zumindest, wenn es sich um „Untergebene“ handelt.
Ich wage sogar zu sagen, dass dies auch in Unternehmen so ist, die ansonsten eine positive Kultur haben und sich wie eine Familie fühlen. Ein Grund dafür kann die klassische Pyramidenstruktur sein, in der man immer jemanden „über sich“ hat, von dessen Gunst man irgendwie abhängt. Selbst Chefs haben meist irgendjemanden, der über sie bestimmt, also über ihren Erfolg, ihre Karriere und ihre Entwicklung.
Welch‘ absurde Art und Weise, seine Lebenszeit zu verbringen!
Wie konnte es nur so weit kommen? Und glauben wir wirklich, wenn wir selbst ChefIn sind, geht es uns besser?
Offensichtlich, denn anders ist es nicht zu erklären, warum so viele Menschen nach wie vor das Ziel haben, „Führungskraft“ zu werden, also anderen vorgesetzt zu sein. Ich kann nur sagen: bullsh**! Wer so etwas braucht, um sich selbst besser zu fühlen, der bringt überhaupt keine Voraussetzung mit, um andere zu führen. Außer dem Streben nach Macht!
Was kannst du dagegen tun?
Hector, der Psychiater in Lelords Buch, kennt sich jedenfalls aus mit der Misere, sitzen doch täglich Menschen in seiner Praxis, die unter ihren Chefs leiden. Seine Lösung, um die Macht von Chefs loszuwerden, lautet:
„Am besten wirst du selber Chef. Und zwar von dir selbst, denn mit dir selbst verstehst du dich immer!“
Wer also selbständig arbeitet, hat den Vorteil, sein eigener Chef zu sein. Ob das die Nachteile aufwiegt, das entscheidest du selbst.
Eines ist klar: wer sich selbst nicht führen kann, kann andere erst recht nicht führen. Der beste Chef der Welt für sich selbst zu sein ist also eine ganz gute Ausgangslage.
Wer weiß, vielleicht brauchst du, um glücklich zu sein, gar keine „Untergebenen“. Vielleicht reicht es aus, hin und wieder andere zu führen – egal in welchem Kontext. Und vielleicht bist du froh, wenn dich von Zeit zu Zeit jemand führt und du „einfach“ nur folgst.
Für beides brauchst du keine Beförderung, keine Visitenkarte und keine besondere Ausbildung. Du brauchst nur deine ganz eigene Führungskraft. Und die hast du, so wie wir alle!
Worauf wartest du also?
-fragt dich Gabriele Feile
Über die Autorin:
Gabriele Feile hält die Macht von Chefs für ein Gerücht. Sie weiß, dass wir alle Führungskraft haben, weil sie uns geschenkt wurde. Sie einzusetzen, das ist unsere Aufgabe
Foto: gratisography.com