Wie unsere Sprache Frieden verhindert

 

„Wir kämpfen um Europas Zusammenhalt.“ Die Grünen

„Wir kämpfen für Frankreich“ Emmanuel Macron

„Fasten im Kampf gegen den Krebs“ n-tv

„Wir kämpfen weiter, bis die Diktatur besiegt ist!“ ein Student, der in Nicaragua protestiert

„Angelique Kerber muss kämpfen“ Ad Hoc News

„Wir kämpfen, um Männern zu zeigen, dass wir gleichwertig sind“ Stipendiatin aus Saudi Arabien

„Wir kämpfen weiter“ Kevin Kühnert, Juso-Vorsitzender

„Engagement gegen rechts. Bestseller-Autoren kämpfen für die offene Gesellschaft“ Frankfurter Neue Presse

„Wir wollen und müssen für eine Gesellschaft kämpfen, in der alle Geschlechter befreit sind!“ Feministische Kampagne

„Wir sind wütend und sind willens, für Demokratie zu kämpfen“ Demonstrant in Hongkong

„Kampf gegen Hacker“ Deutschlandfunk

„Kampf gegen wilde Müllkippen“ NDR

 

Arbeit bedeutet immer präsent sein? Das finden wir nicht mehr zeitgemäß. Arbeit soll sich Deinem Leben anpassen! Darum kämpfen wir für ein Recht auf mobiles Arbeiten #zukunftinarbeit #Homeoffice pic.twitter.com/1PYokwmE3V

— SPD Parteivorstand (@spdde) 27. Februar 2019

Ich hör ja schon auf!

 

Denn ich kann es, ehrlich gesagt, nicht mehr hören. Die Worte „kämpfen“ und „Kampf“ fallen in der Öffentlichkeit – und auch im Privaten – immer häufiger, so scheint es mir. Gegen und für alles und jeden wird gekämpft. Ich frage mich: warum nur?

 

Wer im Duden nachschlägt, findet folgende Einträge für die Bedeutung von „Kämpfen“:

1. mit Waffen, unter Einsatz der verschiedensten Kampfmittel einen Kampf, eine kriegerische Auseinandersetzung führen
2.
1. sich handgreiflich mit jemandem auseinandersetzen; tätlich gegen einen Gegner vorgehen, um ihn zu bezwingen
2. sich (mit den verschiedensten Mitteln) heftig mit einem Gegner auseinandersetzen, streiten; im Kampf mit jemandem stehen
3.
1. (Sport) sich in einem sportlichen Wettkampf mit einem Konkurrenten, Gegner messen
2. (Sport) sich in einem sportlichen Wettkampf, in einem Spiel körperlich voll einsetzen
4. sich unter Einsatz aller Kräfte, der verschiedensten Mittel fortgesetzt bemühen, etwas Bestimmtes zu erreichen
5. innerlich um eine Entscheidung, einen Entschluss ringen
6. einen Weg, eine Strecke unter widrigen Umständen, unter großer Mühe zurücklegen

 

Man sieht, dass die Hauptbedeutung des Verbes „kämpfen“ ganz klar kriegerisch ist. Es werden Waffen eingesetzt und Gegner werden bekämpft. Und immer geht es um vollen Einsatz, alle Kräfte und große Mühe. Leicht ist kämpfen also nie! Das Ziel heißt: Sieger sein.

 

Doch wenn einer siegt, dann verliert jemand anderes, korrekt? Zurück bleiben Opfer: Enttäuschte, Erniedrigte, Blamierte, Traurige, Traumatisierte, Verletzte, Geschändete, Tote, Mittellose, Hungernde, Arme.

 

Ist es also richtig und schlüssig, für Dinge zu kämpfen, die grundsätzlich zu einem positiven Ergebnis führen sollen, also zu Gesundheit, zu einem positiven Spielausgang, zu einem besseren Miteinander, zu Gleichberechtigung, Sicherheit, Demokratie, Freiheit, Liebe und Frieden?

 

Oder ist das absurd, irrational oder gar heuchlerisch?

 

„Kein Wort kann außerhalb von Frames gedacht, ausgesprochen und verarbeitet werden. Wann immer Sie ein Wort hören, wird in Ihrem Kopf ein Frame aktiviert.“

Elisabeth Wehling, Sprach- und Kognitionswissenschaftlerin, Universität von Kalifornien, Berkeley

 

Elisabeth Wehling kennt sich aus mit „Framing“, besonders im politischen Umfeld. In Ihrem Buch „Politisches Framing Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht“ zeigt sie unter anderem auf, wie durch das Setzen von sprachlichen Deutungsrahmen eine Debatte in eine bestimmte Richtung gelenkt werden kann. Wer das weiß, kann zum Beispiel Wahlen damit beeinflussen. Und das findet tatsächlich statt, häufig unter Einsatz von viel Geld.

 

Was genau ist Framing?

 

In einem Interview mit dem Tagesspiegel erklärt Wehling es so:

„In unserem Kopf ist unser gesamtes Wissen über die Welt abgespeichert. Wenn ich zum Beispiel sage „Hammer“, wird nicht nur das Bild eines Hammers aufgerufen, sondern das Gehirn simuliert auch die zugehörige Armbewegung. Immer, wenn mein Denkapparat ein Wort verarbeiten muss, ruft er diese Muster auf, sonst kann er Wörtern keine Bedeutung zuschreiben.

 

In der Politik ist zum Beispiel oft die Rede von einer „Flüchtlingswelle“. Dann ruft das Gehirn das Konzept von „Flüchtling“ und „Welle“ auf. Eine Welle ist groß und bedrohlich. Jeder von uns ist wohl schon einmal von einer Welle umgehauen worden. Die Menschen, die zu uns kommen, werden so automatisch als eine Bedrohung gedacht, die eine Abschottung nahelegt.“

 

Weitere Begriffe, die aktuell häufig genannt werden, sind: Asyltourismus, zurückweisen, linksgrünversifft, Steuerlast. Auch Begriffe wie: abschieben, Mindestlohn, Steueroase, Obergrenze, Klimawandel werden inflationär genutzt. Und wir alle machen mit!

 

Es geht auch ohne kämpfen!

 

Zu all diesen Begriffen ruft unser Gehirn blitzschnell Bilder auf, ob wir wollen oder nicht. Dasselbe passiert auch mit den Wörtern „Kampf“ und „Kämpfen“. Selbst wenn man für eine gute Sache kämpft, ruft unser Gehirn Bilder von Gewalt auf. Die Folge kann Gegengewalt sein – und das ist doch nicht das, was wir wollen! Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

 

Natürlich soll das nicht bedeuten, dass man sich bestimmten Entwicklungen oder Bedingungen einfach unterwirft und nichts dagegen tut. Es soll heißen, dass man sich sprachlich anders damit auseinandersetzt und so ein positives Framing erzeugt. Das ist gar nicht so schwierig. Statt „kämpfen“ kann man zum Beispiel folgende Begriffe nutzen:

 

(sich) einsetzen (für) · (sich) bemühen (um) · eintreten für · (sich) engagieren · (ein) gutes Wort einlegen (für) · Partei ergreifen (für, gegen) ·(sich) starkmachen (für) · (etwas) tun für · werben (für)

 

Und natürlich sollte man das, was man sagt, auch tun. Denn nur dann ist man glaubwürdig!

 

Machst du mit?

-fragt dich Gabriele Feile

 

PS: Lydia Krüger hat entdeckt, wie viele Begriffe aus dem Militär in unserer Sprache vorkommen. Das ist sehr unterhaltsam zu lesen, wenn es nicht so ernst wäre.

 

Über die Autorin:

Sprache ist für Gabriele Feile schon immer ein wichtiger Teil ihres Lebens. Sie zückt den Stift, wenn sie Rechtschreibfehler findet und zuckt zusammen, wenn Menschen eine verrohte und zerstörerische Sprache nutzen. Es gelingt ihr immer besser, selbst positive „Frames“ zu setzen.

Mehr über Gabriele Feile

 

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