Bei Veranstaltungen, bei denen es um die „Zukunft der Arbeit“ geht, kommen früher oder später meist folgende Fragen auf:
Was ist eigentlich mit den ganzen Leuten in „einfachen“ Berufen?
Wie sieht deren Zukunft aus?
Was haben die von all den so genannten „New Work – Initiativen“, wie flexible Arbeitszeiten, Arbeiten von überall, transparenten Gehältern oder demokratischer Führung?
Glasklare Antworten darauf hat kaum jemand. Und so richtig, will sich meist keiner mit dem Thema und „diesen Menschen“ beschäftigen. Meist heißt es dann: „Die Digitalisierung wird viele dieser einfachen Jobs überflüssig machen. Also brauchen wir mehr Bildung, damit die Menschen „höhere“ Jobs machen können. Und natürlich sollten Jobs in Pflege, Erziehung und Handwerk mehr wertgeschätzt werden – durch bessere Löhne.“ Punkt.
Ich sag’s jetzt mal: Der Ruf nach mehr monetärer Wertschätzung für „einfache“ Arbeit geht mir ziemlich auf den Zeiger!
Nicht etwa, weil ich nicht dafür bin, Menschen Wertschätzung entgegen zu bringen. Sondern weil ich ganz deutlich den Eindruck habe, dass das nur Plattitüden sind.
Ist das wirklich alles, was uns an Wertschätzung einfällt?
Wie wäre es stattdessen, wenn wir damit aufhörten, Berufe wie Krankenschwester, Altenpfleger oder Erzieher, aber auch Handwerker, Einzelhandelskaufleute und Restaurantfachleute (und die Menschen, die sie machen) als „einfach“ zu bezeichnen, nur weil man dazu kein Studium und nicht unbedingt Abitur braucht?
Würde sich unser Umgang mit diesen „einfachen“ Berufen wirklich ändern, wenn diese besser bezahlt wären? Hand aufs Herz: ich glaube nicht.
Machen wir doch mal einen Test.
Wenn du Kinder hast (oder dir vorstellen kannst, welche zu haben), zu welchem Beruf aus den folgenden Paarungen würdest du ihnen raten:
Krankenschwester – Physikerin
Bäcker – Informatiker
Altenpfleger – Maschinenbauingenieur
Metzger – Jurist
Hebamme – Politikwissenschaftler
Polizistin – Ärztin
Friseur – Pilot
Lokführerin – Unternehmensberaterin
Koch – Journalist
Rätst du von den Berufen auf der linken Seite ab, weil man in diesen Jobs so schlechte Arbeitszeiten hat, wenig verdient und oft viel körperlich arbeiten muss? Oder weil das Ansehen in diesen Berufen zu gering ist?
Oder unterstützt du dein Kind dabei, das zu tun, wofür sein Herz schlägt, weil du es liebst?
Vielleicht ermunterst du es sogar, eine Ausbildung in einem der Bereiche (oder einem anderen) zu machen, weil du weißt, dass diese Berufe wichtig sind.
Zumindest sprichst du mit deinen Kindern über diese Berufe und die Menschen, die diese ausüben, genauso wertschätzend, wie über andere. Und behandelst Menschen, die vermeintlich einen „niedrigeren Stand“ haben als du, respektvoll – besonders wenn deine Kinder dabei sind.*
Das wäre echte und gelebte Wertschätzung! Alles andere sind Lippenbekenntnisse!
Denn eines ist klar: Die Kinder von irgend jemandem müssen diese Aufgaben machen, wenn es deine nicht tun. Eine Welt, die nur aus Akademikern, Forschern und Consultants besteht, ist sehr unwahrscheinlich.
Wer baut denn die Häuser, in denen die Menschen wohnen, wer sorgt für ihre Nahrungsmittel, wer bringt ihre Kinder mit zur Welt und wer erzieht sie, wer kümmert sich um die Menschen, wenn sie krank oder alt sind, wer fährt den Müll weg, wer repariert ihre smarten Geräte und wer bestattet die Menschen schlussendlich?
Mehr Wert bitte, für alle, die genau das tun!
-fordert Gabriele Feile
Über die Autorin:
Gabriele Feile sagt nicht immer alles, was sie denkt. Aber manches muss raus, und dann schreibt sie es halt auf. #Gerechtigkeit ist ein hohes Gut, findet sie, aber das heißt auch, verzichten zu können: auf Macht, Status, Geld – und Ego.
*Auch dieses Video thematisiert (ab Minute 3:30), wie abwertend manche Menschen (in Gegenwart ihrer Kinder) mit anderen umgehen. Es ist dennoch sehr empfehlenswert: