Vergesst uns nicht ständig!

In einer Dokumentation, die ich vor kurzem sah, kam ein hochrangiger Kommandant im Schweizer Polizeidienst zu Wort. Er betonte im Interview, dass gute Führung bei der Polizei (wie überall sonst) elementar wichtig ist. Dabei sagte er: „Wir haben drei Generationen im Polizeidienst: von meiner, den Babyboomern, bis hin zur Generation Z.“

Und schon war es wieder passiert: Wir wurden vergessen!

Mit „Wir“ meine ich konkret uns, die wir in etwa zwischen 1966 und 1980 geboren wurden.

Just einen Tag vor der Veröffentlichung dieser Kolumne hat die heute-show im ZDF das Thema satirisch treffend dargestellt. Wir haben uns nicht abgesprochen!

 

Nicht alle über 40 sind Boomer!

 

Den Platz zwischen Millennials (auch als Gen Y bekannt) und den vielen Babyboomern belegen wir, die Generation X. Dass wir übersehen, ignoriert und vergessen werden, kann ich mir nur so erklären, dass um die anderen Generationen so viel Bohei gemacht wird.

Vor rund 15 Jahren betraten die Millennials (Jahrgänge 1981 bis 1995) die Bühne der Arbeitswelt. Sie wurden von Unternehmen hofiert, weil sie zahlenmäßig nicht so stark vertreten waren. Ihre scheinbar eher lasche Einstellung zur Arbeit und ihr Drang zur Selbstverwirklichung machte sie nicht gerade beliebt.

Die Generation Z (1996 bis 2009 geboren), die als noch fauler gilt und von denen es noch weniger gibt, beschäftigt seit einigen Jahren die Welt. Und mit ihnen stehen die Boomer plötzlich im Rampenlicht. Denn diese Generation (geboren zwischen 1956 und 1965) steht im krassen Gegensatz zu den jungen, nicht so Wilden.

„OK, Boomer!“ wurde zum geflügelten Satz, mit dem die Nachwuchskräfte das, was die Boomer als ihr Metier verteidigen, gerne als sinnlos abtun.

Mehr Hintergrund zu den Generationen, ob es sie tatsächlich so gibt und ob sich ein Abgrenzen überhaupt lohnt, habe ich in dieser Botschaft zusammengefasst.

 

Zurück zu uns, den Ignorierten

 

Obwohl wir zahlenmäßig gar nicht so wenige sind, wird über uns nicht viel geredet. Wir tauchen zwar an vielen Stellen auf, doch bleibt der Scheinwerfer nicht allzu lang auf uns gerichtet. Es kann daran liegen, dass wir in unserer Jugend eher unauffällig, aber stets fleißig und bemüht der Vernunft gefolgt sind.

Wir fallen auch heute noch nicht zu sehr aus dem Rahmen, nicht mal äußerlich. Wer von uns heute noch tätowiert ist, war entweder Rocker oder fuhr zur See. Die Arschgeweihe und Bauchnabelpiercings, die manche sich zumuteten, werden heute verschämt verdeckt oder sind längst entfernt!

 

Die Generation Golf

 

In Deutschland gibt es immerhin ein Buch, das uns gewidmet ist: Florian Illies beschreibt in seinem im Jahr 2000 erschienenen Bestseller „Generation Golf“ das Lebensgefühl der 1980er in Deutschland. Namensgebend ist der VW Golf, damals das am häufigsten gefahrene Auto in Deutschland. Der Golf taugte trotz seiner Kompaktheit als Familienkutsche.

Eine kollektive und durch ständiges Zitieren etwas ausgeleierte Erinnerung ist der Samstagabend im Schlafanzug: Nach dem Baden saßen Familien gemeinsam vor dem Fernseher, aßen von Mama belegte Brote und schauten Wetten, dass …? mit Frank Elstner und später mit Thomas Gottschalk.

Als Jugendliche waren wir, trotz nur 3 Programmen, fernseh-, konsum- und zunehmend markenorientiert, scherten uns nicht um Themen wie Klimawandel, erlebten den Krieg fast nur in kaltem Zustand und hatten auch sonst nicht viele Gründe, um zu protestieren.

Es ging uns, im Westen, ziemlich gut, wir konnten das Leben genießen und vom Wohlstand, den unsere Eltern erarbeitet hatten, profitieren.

Dennoch gab es Krisen. Doch die wurden von der Politik oft mit Verboten geregelt. Das war den meisten von uns recht. Ein Beispiel: Das bedrohliche Ozonloch wurde kleiner, als die FCKWs weltweit verboten wurden.

Unsere Jugend war alles andere als langweilig. Die Älteren erlebten die Ölkrise der 1970er Jahre mit. Dem Reaktorunfall in Tschernobyl folgte der Mauerfall, die deutsche Wiedervereinigung und 1990 wurde Deutschland Fußballweltmeister (mit einer Mannschaft aus Boomern)!

 

Mein Haus, mein Auto, mein Boot!

 

Damals wie heute galt und gilt für uns, etwas zu leisten, um es zu etwas zu bringen – und zwar zu Wohlstand.

Viele von uns haben beeindruckende Karrieren gemacht, oft in ein und demselben Unternehmen. Manche, auch ich, sind abgebogen und widmen sich seither anderen Aufgaben, wie etwa dem eigenen Unternehmen.

Andere haben die Leiter erklommen und tragen immense Verantwortung. In Deutschland zum Beispiel aktuell als Vizekanzler, Finanzminister, Außenministerin oder als Ministerpräsidentinnen und -präsidenten.

Barbara Schöneberger und Markus Lanz gehören zu den bekannten Fernsehgesichtern unserer Generation. Und auch Jürgen Klopp ist einer von uns!

Die Konkurrenz bei unserem Berufseinstieg war, anders als bei den Boomern, nicht so groß. Wir mussten uns nicht um Ausbildungs- und Studienplätze streiten, sie waren meist da.

Unser Berufsleben war geprägt von bahnbrechenden Veränderungen. Als ich damals meine Banklehre begann, gab es zwar Computer, doch nicht auf jedem Schreibtisch. Wir füllten Formulare aus, stempelten diese und schickten sie per Kurier in die Datenerfassung.

Es wurden noch Telexe um die Welt geschickt, wir bezahlten mit Schecks und hatten Sparbücher. Die E-Mail-Kommunikation kam viel später und war eine Sensation. Unsere Handys waren klein und handlich, kamen aus Finnland und hießen Nokia. Als die sozialen Medien auftauchten, waren wir schon etwas über dem Zenit und spielten nur zaghaft mit.

Denn wir hatten erfahren: je digitaler die Arbeit, desto mehr Druck. Alles musste schneller gehen, die Verkaufs- und Umsatzzahlen waren jetzt das Maß aller Dinge. Wir arbeiteten für den Shareholder-Value, also für die Eigentümer und Eigentümerinnen.

 

Leisten, ohne zu murren – ausbrennen, ohne zu leiden

 

Wir hielten durch, manche kürzer, andere länger. Doch irgendwann litten auch wir: Vermutlich sind wir die Generation mit den meisten Burnout-Fällen – ausgelöst durch den Leistungszwang bei der Arbeit. Überstunden und Urlaubstage ansammeln – da sind wir schon immer dabei!

Wir fühlen uns halt verantwortlich für den Laden, in dem wir arbeiten und übersehen dabei oft unsere eigenen Grenzen.

Unsere Leistung in den sozialen Medien oder sonst wo zu zeigen, fällt vielen von uns hingegen schwer. Das haben wir nicht gelernt. Bestimmt ist das mit ein Grund, warum man uns so gerne übersieht.

Heute, da wir in unseren 40ern und 50ern sind, erkennen immer mehr von uns, dass Arbeit nicht alles ist. Insgeheim beneiden wir die Generation Z, die von Anfang an klare Grenzen setzt und sich mit Überstunden nicht anfreunden kann.

Die Gen Z ist die Generation unserer Kinder. Sie scheinen also doch was von unserem (schlechten) Vorbild gelernt zu haben.

 

Und das ist gut so!

 

PS: Eines wird nicht ignoriert: die Musik unserer Generation. Vor allem die 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts gelten als die beste Zeit – musikalisch gesehen. Wer sich dorthin zurück beamen will, wird in Australien fündig: Dieser YouTube-Kanal von Sing It Live bringt mit den gnadenlos guten Covern das Lebensgefühl unserer Jugend zurück.

Was ist deine Perspektive auf dieses Thema?

Füge sie gerne in den Kommentaren unten hinzu.

Vielen Dank.

Gabriele Feile

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